מכונת כתיבה – Hebräisch auf der Schreibmaschine
Die Anfänge der hebräischen Schreibmaschine fallen zusammen mit dem Aufkommen des Zionismus, der nationaljüdischen Idee, Ende des 19. Jh. So meldete im Februar 1898 Die Welt, das von Theodor Herzl gegründete deutschsprachige Zentralorgan der zionistischen Bewegung, dass jüngst von der Yost Typewriter Company eine Schreibmaschine mit hebräischen Lettern fertiggestellt worden sei. [1] Das Verdienst ihrer Konstruktion gebühre dabei Moses Gaster, dem sephardischen Oberrabiner Englands, der 1897 auch als Vizepräsident des Ersten Zionistenkongresses geamtet hatte. Dieser habe sich zuerst eine solche Maschine für den eigenen Gebrauch zusammengestellt. [2] Ob es sich bei Gasters hebräischer Schreibmaschine tatsächlich um die erste ihrer Art handelt ist nicht endgültig geklärt. Eine weitere Anwärterin ist eine Blickensderfer Nr. 5 mit hebräischen Typen, die sich in der historischen Sammlung des Technikmuseums MadaTech in Haifa befindet und die Eliezer Ben-Yehuda, dem Autoren des ersten modernen hebräischen Wörterbuchs, zugeschrieben wird. [3] Bei der 1893 erstmals vorgestellten Blickensderfer handelte es sich um eine leichte Reiseschreibmaschine mit zylindrischem Typenrad. Die Typenradtechnologie erlaubte einen vergleichsweise einfachen Austausch der Schriften. [4] Allerdings konnte sich der von Blickensderfer favorisierte radförmige Typenträger für Schreibmaschinen nicht durchsetzen. Das Rennen machten (vorerst) Maschinen mit Typenhebeltechnik, wie sie zu dieser Zeit in den USA vor allem Underwood und Remington produzierten. Im Zug der Verbreitung des mechanischen Schreibens in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. brachten viele der grossen Marken auch Schreibmaschinen mit hebräischen Typen und entgegengesetzter Wagenbewegung auf den Markt.
Im Gegensatz zum lateinischen Schriftsystem bildeten sich allerdings keine spezifischen hebräischen Schreibmaschinenschriften heraus. Solche müssen grundsätzlich sehr robust sein, ihre Lesbarkeit muss auch im Fall von mehreren Durchschlägen gewährleistet bleiben. Daher verbieten sich zu feine und dünne Striche. Um das Zuschmieren der Punzen zu verhindern dürfen diese aber auch nicht sehr dick sein. Typische Schreibmaschinenschriften haben eine einheitliche Strichstärke und betonte Serifen. Letztere dienen dabei nicht zuletzt der optischen Anpassung besonders schmaler Zeichen an den strikt proportionalen Schreibmaschinensatz. [6] Obwohl mit der Druckschrift Miriam seit Mitte der 1920er Jahre eine monolineare Hebräisch zur Verfügung stand, die den Ansprüchen an eine Schreibmaschinenschrift bereits weitgehend entsprach, [7] kamen bei hebräischen Schreibmaschinen meist mehr oder weniger zweifelhafte Adaptionen der Meruba, der klassischen hebräischen Druckschrift, zum Einsatz.
Ernsthafte Bemühungen, die hebräischen Schreibmaschinenschriften besser zu machen, d.h. vor allem lesbarer zu gestalten, sind vereinzelt erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. zu beobachten. So gelangte beispielsweise die Schweizer Firma Paillard & Cie., die mit ihrer Marke Hermes auch im hebräischen Markt eine wichtige Rolle spielte, an den israelischen Typographen und Schriftgestalter Henri Friedlaender mit der Anfrage, für sie eine schreibmaschinentaugliche Version seiner Druckschrift Hadassah zu zeichnen.
Bei Typenhebelmaschinen bedeutete der Austausch des Schriftsystem allerdings zwingend immer auch den Austausch der Maschinen. Der leichte Wechsel zwischen verschiedenen Schriften und Schriftsystemen war mit dieser Technik nicht möglich. Eine Änderung brachte erst die Abkehr von der Typenhelbeltechnik durch das von IBM in den 1960er Jahren mit der Selectric eingeführte Kugelkopf-System, bei dem die zu schreibenden Zeichen auf einem auswechselbaren Element angeordnet sind das aufgrund seiner Form und Grösse auch «Golfball» genannt wurde [Bild am Artikelanfang].
Ein Meilenstein für hebräisch bzw. mehrsprachig Schreibende war die Einführung der Selectric II 1971. Eine der Neuerungen dieser Maschine gegenüber ihrer Vorläuferin, war die Möglichkeit, mittels einer Taste die Schreibrichtung umzustellen. Da der Kugelkopf 88 belegbare Positionen bot, erlaubte das System nicht nur zwei verschiedene Schriftgrössen auf einem Schreibkopf unterzubringen, sondern auch unterschiedliche Alphabete. Es war mit dieser Maschine damit möglich ohne Wechsel des Typenträgers zwischen lateinischer und hebräischer Schrift zu wechseln. Mitte der 1970er-Jahre begann IBM in Israel eine hebräisch/lateinisch bestückte Selectric II unter dem Namen Kadurit («Ball/Kugel») zu vermarkten. [10]
Ebenfalls auf dem Kugelkopfsystem aufbauend war der IBM-Composer. Als eigenständige Drucktechnologie neben Blei- und Photosatz bot der Composer eine Vielzahl von Layout-Möglichkeiten und erlaubte – im Gegensatz zu dem für die Schreibmaschine typischen festen Zeichenabstand – eine proportionale Buchstabenlaufweite. [12] Für Kadurit und Composer entwarf Henri Friedlaender, drei Schriften: Shalom, Hadar und Aviv, die alle als Pendant zu lateinischen Schriften konzipiert waren. [13] Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die als hebräisches Pendant zur serifenlosen Gothic von Robert Robertson entworfene Aviv.
Mit Aviv schuf der damals bereits siebzigjährige Typograph eine serifenlose Schrift mit visuell gleichen Strichdicken und einer sehr eigenen, dezidiert technischen und gleichzeitig weichen Anmutung. Die Weichheit des Entwurfs mit seinen abgerundeten Ecken entspricht nicht zuletzt auch dem generellen Charakter von Schreibmaschinenschriften, da ein scharf konturiertes Schriftbild mit Farbband-Durchschlag kaum möglich ist.
Gewürdigt wurde Friedlaenders Schrift durch eine digitale Neuinterpretation der Schriftgestalter/innen des Kollektivs Hagilda [15]. Ergänzt um ein lateinisches Pendant publizierten diese 2007 unter dem Namen Arbel Hagilda eine Schrift im Geiste der Selectric. Bei ihrem Entwurf waren die Gestalter*innen allerdings nicht mehr an die technischen Voraussetzungen der Schreibmaschine gebunden. Arbel Hagilda entspringt gänzlich der digitalen Welt. Ihre Formen fungieren als Verweis auf eine vergangene Epoche.
Aber auch unter digitalen Bedingungen ist Schriftgestaltung nicht voraussetzungslos. Das macht Hagilda in ihrer Selbstdarstellung deutlich wenn das Kollektiv den Ursprung des Unternehmens 2002 in Verbindung bringt, mit der durch das Ende der 1990er-Jahre etablierten OpenType-Format gegebenen Möglichkeit, hebräische wie auch lateinische Ausprägungen eines Schriftentwurfs in einer einzigen Schriftartdatei (Font) unterzubringen.
[1] Notiz, Die Welt, 11.02.1898, S.7.
[2] Die für Gaster produzierte hebräische Version der «Yost 4» findet sich in den Beständen des Kevorkian Center for Middle East Studies an der NYU. Vgl. Nick Block: «The Lost History of the Yiddish Typewriter», The Jewish Translator (Blog), 27.10.2016.
[3] Objektdetails zur «Blickensderfer Nr. 5» mit hebräischen Typen in der Sammlung des MadaTech.
[4] 1907 produzierte die Firma Blickensderfer mit dem Modell «Oriental» eine Schreibmaschine, welche die Schreibrichtung beliebig wechseln konnte und die damit sowohl für das Schreiben mit lateinischen und hebräischen Typen geeignet war. Vgl. Block (2016); Zur Frühgeschichte der hebräischen Schreibmaschine vgl. auch: Robert Messenger: «Typewriting in Hebrew: So Easy a Bambino Can Do It», ozTypewriter (Blog), 13.11.2012.
[5] Maschine aus der Sammlung von Richard Polt.
[6] Die meines Wissens umfangreichste Zusammenstellung verschiedener (lateinischer) Schreibmaschinenschriften findet sich bei: Alam Bartram: «Typewriter type faces», in: Typographica (1962), S. 42–60.
[7] Vgl. Schriftmuster «Miriam», in: Berthold AG: Katalog hebräischer und jüdischer Schriften (Berlin, 1924).
[8] Block (2016).
[9] Henri Friedlaender: Die Entstehung meiner Hadassah-Hebräisch (Hamburg, 1967), S. 34.
[10] Ankündigung einer elektrischen hebräischen/multilingualen Schreibmaschine durch IBM Tel Aviv (Hebräisch, o.D.)
[11] Bild von IBM-Werbepostkarte aus eigener Sammlung.
[12] Der Composer funktioniert mit 9 Breiteneinheiten. Der mechanische Satz (Monotype) fixiert den Breitenlauf der Buchstaben mit einem 18-Einheiten-System. Damit bildet der Composer gewissermassen eine Zwischenstufe zwischen Schreibmaschine und Setzmaschine. Vgl. G.A. Holt: «Philosophy of Composer Design», in: IBM Journal of Reseach and Development (1968), S. 3–8; Adrian Frutiger: «The IBM Selectric Composer. The Evolution of Composing Technology», in: Ebd., S. 9–14.
[13] Vgl. Liron Lavi-Turkenich: «Shalom, Hadar, and Aviv: New Typefaces», in: Ada Wardi (Hg.): New Types. Three Pioneers of Hebrew Graphic Design, The Israel Museum, Jerusalem 2016, S. 297–305.
[14] Werbebroschüre für IBM Composer (Hebräisch, o.D.).
[15] Hagilda («Die Gilde») leitete, gemeinsam mit Gestaltern wie Yanek Iontef, im ersten Jahrzehnt des 21. Jh. in Israel ein Revival in der Gestaltung qualtitativ hochwertiger hebräischer Schriften ein: Vgl. http://hagilda.com.
[16] Schriftmusterkatalog Hagilda 08 (2008).