Die Holztypenfabrik Roman Scherer in Luzern (1877–1966)
Die Holztypenfabrik Roman Scherer wurde von dem aus Meggen stammenden Unternehmer Roman Scherer (1848–1922) gegründet, der zuvor kurzzeitig eine Möbel- und Gewehrschäftefabrik in Luzern geleitet hatte. Mit dem Ankauf von Maschinen einer in Vernayaz im Wallis eingegangenen Fabrik für Holzschriften machte sich Scherer 1877 selbständig. Das Unternehmen war von Anfang an auf einen internationalen Markt ausgerichtet. Die aus lokalem Obstbaumholz gefertigten Schriften fanden Abnehmer in Südfrankreich, Spanien, Italien, den Balkanstaaten und Russland. Der erste Standort der Fabrik auf der Luzerner Reussinsel bot bald zu wenig Platz zur Ausdehnung und Scherer kaufte Anfang der 1890er Jahre eine Liegenschaft mit Gleisanschluss in der an die Stadt angrenzenden Gemeinde Kriens. Um die Jahrhundertwende betrug die Monatsproduktion der Holztypenfabrik – die zu dieser Zeit bereits über 100 Arbeiter beschäftigte – rund 50'000 Buchstaben. 1910 wurde das Geschäft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und bald darauf das Sortiment der Firma, das neben den Holztypen auch weitere Druckereiutensilien aus Holz umfasste, um Plakatschriften aus Hartguss-Aluminum erweitert.
Zeugnis von der Vielfalt und Qualität der (meist anonymen) Schriftentwürfe der Holztypenfabrik Roman Scherer legen die zum Teil sehr umfangreichen Schriftproben ab, die sich in verschiedenen privaten und öffentlichen Sammlungen in Europa und Nordamerika erhalten haben. Die umfangreichste Sammlung ist im Besitz der Basler Papiermühle, wo sich das Archiv der Haas’schen Schriftgiesserei heute befindet. Nachdem durch den zunehmenden Einsatz des Offset-Verfahrens beim Plakatdruck in den 1960er Jahren mit Holzschriften kaum mehr Gewinn zu erwirtschaften war, wurde die Holztypenfabrik 1966 an die zu diesem Zeitpunkt noch in Münchenstein bei Basel aktive Schriftgiesserei verkauft. Des Weiteren finden sich in der Schweiz auch einige Schriftproben in den Beständen der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern (ZHB Luzern), welche diese 1947 als Schenkung erhalten hat.
Die erwähnte internationale Ausrichtung der Holztypenfabrik Roman Scherer wird nicht zuletzt deutlich beim Bestand nicht-lateinischer Schriften. So erschien um 1915 mit ‹Lettres Orientales› eine Probe welche zwölf griechische, vier armenische, zwei hebräische und vier arabische Schriften umfasst. Vier weitere (moderne) hebräische Schriften finden sich in einer um 1940 publizierten Loseblattsammlung.
Für den russischen Markt erschien um die selbe Zeit wie die ‹Lettres Orientales› eine 166 Seiten starke Probe mit ausschliesslich kyrillischen Schriften (‹Russische Schriftproben›). Bei den Entwürfen handelte sich dabei in vielen Fällen um Übertragungen von bereits bestehenden lateinischen Schriften.
Eine Fussnote zum Erfolg der Scherer’schen Holzschriften in Russland ist die Tatsache, dass die Gestaltung des Titels der Tageszeitung ‹Prawda› – zwischen 1918 und 1991 Zentralorgan des ZK der KPdSU und mit einer Auflage von zeitweise über 10 Millionen Exemplaren eine der auflagenstärksten Zeitungen der Welt – auf eine von Roman Scherer als ‹Serie 5015› vermarkteten Holzschrift zurückgeht.
In einem 1922 im liberalen ‹Luzerner Tagblatt› erschienenen Nachruf auf den Firmengründer ist auch die Rede davon, dass namentlich China und Japan zu den Absatzgebieten der Firma von Roman Scherer gehörten, «weil dort sozusagen alles, was dem Publikum mitgeteilt werden will, durch das Mittel öffentlichen Anschlages und herumgetragener grossgedruckter Plakate gemacht wird.» Die überlieferten Schriftproben der Holztypenfabrik geben allerdings keinen Hinweis in diese Richtung.
Schriftproben in öffentlichen Schweizer Sammlungen
- [Schriftproben], um 1890, ca. 60 Blatt (120 Seiten), 46 × 33 cm [Basler Papiermühle]
- [Schriftproben], um 1905, 390 Seiten, 37 × 28.5 cm [Basler Papiermühle]
- ‹Lettres Orientales›, um 1910, 28 Seiten, 31 × 23 cm [ZHB Luzern]
- ‹Holztypen›, um 1915, 68 Seiten, 29.5 × 23 cm [Basler Papiermühle]
- ‹Russische Schriftproben›, um 1915, 166 Seiten, 30 × 23 cm [Basler Papiermühle]
- ‹Katalog No. 25› [Linien & Schmuck], um 1925, 31.5 × 24 cm [Basler Papiermühle / ZHB Luzern]
- ‹Holztypen. Katalog No. 26›, um 1925, 60 Seiten, 31.5 × 23.5 cm [Basler Papiermühle]
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‹Hartguss Aluminium-Typen›, um 1930, 50 Seiten, 31 × 23.5 cm [ZHB Luzern]
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[Schriftproben (Loseblattsammlung)], um 1940, ca. 35 Blatt (66 bedruckte Seiten), 32.5 × 26.5 cm [Basler Papiermühle / ZHB Luzern]
Literatur
- «Roman Scherer Luzern», Typographische Jahrbücher [Sondernummer zur Sächsisch-Thüringischen Ausstellung in Leipzig] (1897), o. S.
- «Fünfundzwanzigjähriges Geschäfts-Jubiläum der Holztypenfabrik Roman Scherer in Luzern», Schweizer Graphischer Central-Anzeiger Nr. 1 (1903), S. 2f.
- «Fabrikant Roman Scherer» [Nachruf], Luzerner Tagblatt, Nr. 43 (20. Feb. 1922), S. 2.
- Karl J. Lüthi: «Eine schweizerische Industrie. Die Holztypenfabrik Roman Scherer AG in Luzern», Schweizerisches Gutenbergmuseum, Nr. 11 (1925), S. 18–20.
- Mathieu Christe: «Roman Scherer AG. Le Caractère Polychromatique», Poster Tribune, Nr. 1 (2011), S. 10.